Re: Engpässe


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Geschrieben von Daniel-2 am 07. Januar 2004 11:24:33:

Als Antwort auf: Re: Engpässe geschrieben von Frank am 05. Januar 2004 16:06:14:

Oops, das wird aberr schnell unübersichtlich... ich versuch's mal:

>Hallo, Daniel!

Hallo Frank!

>> Hm, man sollte Arten aus z.B. dem Kambrium nicht als "Vorfahren der Menschen" bezeichnen, weil sie auch Vorfahren vieler anderer Arten waren.

>Pikaia wird als Vorfahr ALLER Wirbeltiere angesehen, zu denen rein zufällig (zufälliger geht es gar nicht) auch der Mensch gehört.

Richtig, das ist im Endeffekt Zufall. Man kann natürlich nur annehmen, dass Pikaia nun wirklich der erste eindeutige Vorfahr aller Wirbeltiere ist. Zudem gehört pikaia zunächst einmal zu den Chordata (genauer: cephalochordata, und damit eigentlich nur ein Seitenast und nicht direkter Vorfahr), aus denen u.a. die craniata hervorgingen, zu denen dann erst die vertebrata gehören. Über die Zuordnung von pikaia zu den cephalochordata ist man sich nicht 100%ig einig. Als noch älteres Chordata wird Yunnanozoon lividum beschrieben (Chen et al., A possible Early Cambrian chordate. Nature 377:720-722) - wo will man da ansetzen?
Vielleicht doch lieber erst bei den craniata, die (per definitionem) besser fossil überliefert sind? Der früheste Vertreter tummelte sich vor etwa 480 Ma in den Ozeanen. Die ersten echten Vertebraten mit Schädel, Kiefer (kieferlose Wirbeltiere sind nicht unsere Vorfahren) und Wirbelsäule sind erst im Silur nachgewiesen.

>> Sollte man eine solche Aussage ernst meinen, würde man dem Menschen völlig zu unrecht die evolutionäre Krone aufsetzen - Arten aus dem Kambrium hatten mit Sicherheit nicht den Menschen zum Ziel!

>Das habe ich auch nicht behauptet. Es ging mir darum, daß die Vorfahren des Menschen - und damit vieler tausend anderer Arten - beinahe ausgestorben wären.

Weiß ich, hast Du nicht. Aber sowas wird einem dann oft zurecht vorgeworfen. Wie ich oben kurz angerissen habe, ist Pikaia auch nur einer von vielen möglichen Vorfahren - und das auch noch aller Wirbeltiere. Du hättest auch schreiben können, dass es Dir um den Vorfahren des schottischen Hochlandrinds, des Kakadus oder des afrikanischen Ochsenfrosches ginge ;-)
Naja, vielleicht hacke ich auch zu sehr darauf rum...

>Vor längerer Zeit - ich weiß nicht mehr wann - habe ich einen Beitrag geschrieben, in dem ich erwähnte, daß dem Menschen viele Fähigkeiten anderer Tiere abgehen.
>Dazu noch folgendes: (ich kürze das mal der Übersichtlichkeit halber raus)
>Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.

Ja, richtig. Wir können auch nicht so gut gucken wie Adler oder uns mit Ultraschall orientieren wie Fledermäuse. Wirbeltiere mögen zwar die komplexesten Lebenwesen hervorgebracht haben, aber sind nicht die Baktierien die Gewinner der Evolution? Die haben sich wirklich jeden erdenklichen Lebensraum erschlossen, es gibt mehr Arten von Bakterien als Indiviuuen an Wirbeltieren. Die Frage nach der Krone der Schöpfung ist nicht einfach zu beantworten. Oder gehört sie den Insekten? Hm...

>(Auch die Ammoniten standen mehrmals ganz kurz vor dem Aus; nur eine winzig kleine Gruppe konnte sich retten).

Auch diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Es gehört zur Evolutionsgeschichte nachzu jeder Art, dass das eine oder andere Massensterben nur ein paar wenige Arten einst großer Gattungen oder Familien übrig ließ. Das ist nicht die Ausnahme, sondern die (unregelmäßige) Regel. Und wenn man den Bogen von Pikaia im Kambrium bis zum Mensch im Holozän spannt, dann ist es nur wahrscheinlich, viel mehr solcher Beispiele zu finden.

>> Lass Dich vom Titel nicht allzusehr irritieren: es handelt zu einem großen Teil vom Kambrium.
>Ich kannte weder das Buch noch den Verfasser (auch nicht dem Namen nach).
>Aber wenn es im Kambrium anfängt und bis zum Menschen geht, ist das eine sehr große Zeitspanne.

Ah ja, äh, genau, siehe oben ;o)

>> Denn im Endeffekt spielt es oft für die einzelne Art keine Rolle, ob sie in ihrer Ordnung/Familie alleine ist oder nicht, solange sie selbst erfolgreich ist.

>Darum ging es auch gar nicht. Auch der Procynosuchus war zu seiner Zeit weitestgehend allein; aber dann entwickelte sich die Gruppe geradezu explosiv.
>In der Folge entstanden auch Arten, aus denen viel später unter vielen anderen auch der Mensch hervorging.

Siehst Du, noch so ein Beispiel in unserer Ahnenkette. Was ich damit aber auch sagen wollte: in einer Vorfahrenkette gibt es immer nur einzelne Arten. Man stammt nie von mehrere Arten oder von einer (phylogenetischen) Familie ab. Man kann an jedem x-beliebigen Punkt sich eine unsere Vorfahren-Arten herauspicken und wird feststellen, dass es die einzige Art war, die zu dieser gegebenen Zeit unser Vorfahr war. Wie sollte es auch anders sein?

>> Auch heute gibt es Tausende Arten, die die einzigen Vertreter ihrer Gattung/ Familie sind.

>Es gibt einige wenige davon; auch hier gehört der Mensch dazu. In dem anderen Forum hatte ich auch dazu einen Beitrag geschrieben.

Also nochmal zusammenfassend: es hat in der Erdgeschichte laufend "Extinction Events" gegeben, welche nicht nur das komplette Austerben ganzer Gattungen zur Folge hatten, sondern auch von einzelnen Arten überlebt wurden. Danach kam es immer zu einer explosionsartigen Radiation der Arten. Für jede heute lebende Art lässt sich theoretisch(!) ein Vorfahr bis ins Kambrium (und theoretisch noch weiter!) zurückverfolgen. Jede(!) rezente Art wird in ihrer Geschichte diverse "Flaschenhälse" im Stammbaum aufweisen! Dass es ein großer Zufall ist, dass es den Mensch gibt, ist da eher ein philosophisches Problem.

>Frank

Grüße,
Daniel





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