Re: Kleine kleine Berichtigung


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Geschrieben von Hille V. am 22. April 2001 14:12:55:

Als Antwort auf: Re: Kleine kleine Berichtigung geschrieben von Harry am 22. April 2001 11:36:14:

Wie ich schon sagte, hab ich nur äußerst wenig Literatur über die Laufgeschwindigkeit. Allerdings ist in der Zeitschrift "SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT: Digest: Saurier und Urvögel. März 1997, Heftsondernummer: 1/1997", S. 60 - 67 ein Artikel enthalten unter der Überschrift: "Wie Dinosaurier sich fortbewegten" von R. McNeill Alexander, Zoologie-Professor an der Universität Leeds in England. (Er forscht und schreibt über die Mechanik der Fortbewegung von Mensch und Tieren; besonders das Rennen und Springen analysiert er mit Hilfe von Filmaufnahmen, Kraftmessungen und mathematischen Modellen.)

Ich zitiere mal einzelne Aussagen daraus:
"[...] Wir kennen die Dinosaurier fast nur von Skelettfunden her. Daran lassen sich zwar Länge oder Höhe eines Tiers und die Größenverhältnisse seiner Körperteile ablesen, aber diese sagen noch nichts über das Gewicht, welches das Knochengerüst - und speziell die Beinknochen - zu tragen hatte. [...]
Nach einer solchen Kalkulation sollte Tyrannosaurus mehr als sieben Tonnen gewogen haben - das Zehnfache eines männlichen Eisbärs, des größten heute lebenden Landraubtiers. [...]
Um diese Feststellung auf die Schnelligkeit der Dinosaurier beziehen zu können, muss man wissen, wie sich bei heutigen Tieren die Größe auf Art und Geschwindigkeit der Fortbewegung auswirkt. [...]
Nach [...] Berechnungen [die sich aus den Fußspuren der jeweiligen Dinosauriern und der daraus resultierenden Bein- und Schrittlänge ergeben - Anm. von Hille] war das Tempo der Giganten unter den Dinosauriern jedenfalls nicht sehr beeindruckend. Sämtliche bekannten Abdrücke großer Sauropoden ergaben Geschwindigkeiten von etwa einem Meter pro Sekunde oder dreineinhalb Kilometer pro Stunde: ein gemächliches Spaziertempo für Menschen, das bei Tieren mit drei Meter langen Hinterbeinen geradezu quälend langsam erscheint. Keine einzige Fährte der sehr großen zweibeinigen Dinosaurier zeigt Geschwindigkeiten von mehr als 2,2 Metern pro Sekunde, was nicht mehr als einem zügigem Wandertempo beim Menschen entspricht.
Dagegen legen viele Fußspuren kleinerer Dinosaurier nahe, dass diese Tiere tatsächlich rannten. Die höchste Geschwindigkeit ergaben Spuren eines Zweifüßers in Texas, der vermutlich gut eine halbe Tonne oder etwa soviel wie ein Rennpferd wog, sowie einer noch etwas kleineren Echse. Danach liefen beide mit 12 Metern pro Sekunde (gut 43 Kilometer pro Stunde) [...].
Wenn bisher keine Fußspuren von riesigen Dinosauriern gefunden worden sind, die rannten, dann heißt das freilich nicht, dass sie nicht rennen konnten, sondern nur, dass sie normalerweise eben gingen [...].
Je schneller ein Tier läuft, desto größer sind die Kräfte, die seine Beine auf den Boden ausüben, und desto kräftiger müssen diese Beine sein. [...]
Für den [...] gigantischen Apatosaurus, dessen Knochen zwar größer aber ähnlich prportioniert sind wie die eines Elefanten, [...] sollte Apatosaurus zu vergleichbaren athletischen Leistungen fähig gewesen sein.
Elefanten bringen es zwar auf einen langsamen Trab, aber sie können nicht galoppieren oder springen. [...] Demnach [...] müsste Apatosaurus mit sieben Metern pro Sekunde (25 Kilometern pro Stunde) gerannt sein [...].
Der Diplodocus, ein etwas schlnakerer Sauropode [...] war wohl nicht so flink: er konnte zwar vermutlich an Land gehen, ohne auf den Auftrieb von Wasser angewiesen zu sein, aber möglicherweise nicht einmal im Trab laufen. [...]
Triceratops [war] offenbar behender als Elefanten und konnte vielleicht sogar galoppieren wie Büffel oder Nashörner. [...] Triceratops [hätte umgerechnet] mit neun Metern pro Sekunde (etwas 32 Kilometern pro Stunde) laufen müssen.
Sind die angeführten Abschätzungen für Apatosaurus, Diplodocus und Triceratops schon mit Vorsicht zu betrachten, so gilt das noch mehr für Ableitungen über die Behendigkeit von Tyrannosaurus rex - sind doch alle heutigen Zweibeiner unvergleichlich viel kleiner. Tatsächlich bewegt kein lebender Zweibeiner seine Gliedmaßen so, wie man das auf Grund seines Körperbaus erwarten würde. Deshalb sei nur gesagt, dass das berechnete Stärkemaß eines Oberschenkelknochens von Tyrannosaurus niedrig ist und ungefähr im selben Bereich wie beim Elefanten liegt. [...]
Trotz dieses soliden Fundamentes [mit dem der Autor die Laufgeschwindigkeiten der einzelnen Dinosaurier-Arten errechnet hat - Anm. von Hille] wäre es törricht, die erhaltenen Werte über die Tragfähigkeit bestimmter Dinosaurier-Skelette und das Lauftempo der Tiere als übermäßig genau auszugeben. [...]
Im ganzen entsteht aber doch der Eindruck, dass die meisten Dinosaurier, obwohl die Kolosse unter ihnen eher gemächlich dahinstapften, durchaus zu ganz beachtlichen Sprints fähig waren [...].
Nach den Fußspuren zu urteilen hätten wir, wenn wir damals bereits gelebt hätten, durchaus neben einem Sauropoden oder auch einem zweibeinigen großen Raubsaurier herlaufen und mühelos mit ihm Schritt halten können. Den Berechnungen zufolge waren die großen Sauropoden wohl ebenso beweglich wie Elefanten - und Triceratops vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Aber auch wenn ich mir meinen Kalkulationen nach zutrauen darf, einem mich jagenden Tyrannosaurus davonzulaufen, bin ich doch froh, nicht in die Verlegenheit dieser Mutprobe kommen zu können."

Wie bereits angedeutet, enthält dieser Artikel keine direkten, wissenschaftlich hunderprozentig nachgewiesenen Aussagen zu den Geschwindigkeiten - insbesondere beim Tyrannosaurus rex - sondern äußert nur (wenn auch recht wahrscheinliche) Vermutungen, die keineswegs zutreffen müssen, zumal - wie der Autor an einer nicht zitierten Stelle schreibt: - "Allerdings können wir keine Belastungstests an Dinosaurierknochen mehr vornehmen, weil Verfall und Fossilierung deren Eigenschaften zu stark verändert haben."

Man sollte somit alle Angaben zu Verhaltensweisen, Laufgeschwindigkeiten und dgl. immer nur als wahrscheinlich und nie als unumstößliche Tatsachen auffassen.
(Allerdings habe ich aufgrund Ihrer Ausführungen den Eindruck, dass Sie das schon wissen *smile*.)

Mit freundlichen Grüßen,
Hille




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